Wenn Pferde und Reiter zu den Wettkämpfen der Olympischen
Spiele antreten, wird es in Hongkong – wie immer im Sommer
– sehr heiss und feucht sein. Drei spezielle Decken bieten den
Schweizer Turnierpferden Schutz: Wechseln sie vom klimatisierten
Stall auf das Wettkampfgelände, werden sie mit Kühldecken
vor der Sonneneinstrahlung geschützt. So überstehen sie
Hitzestrapazen besser und sind überhaupt erst zu
Höchstleistungen fähig. Nach dem Wettkampf helfen ihnen
so genannte Abschwitzdecken, möglichst schnell wieder zu
trocknen: eine Decke vor der Rückkehr in den Stall, die andere
dann im klimatisierten Raum. Sie unterstützen die
empfindlichen Sportpferde in ihrer Thermoregulation und verhindern
den Nachkühleffekt oder «post exercise chill
effect», das unangenehme und gesundheitsgefährdende
Auskühlen und Frösteln nach körperlicher
Aktivität.
Um neue, optimierte Materialien für derartige
Hightech-Decken zu entwickeln, nahm die Empa eine Idee des
Verbandstierarztes der schweizerischen Dressurreiter, Anton
Fürst, auf. Zusammen mit der Firma Eschler aus dem
appenzellischen Bühler und der Vetsuisse-Fakultät der
Universität Zürich starteten sie vor einem Jahr das
gemeinsame Projekt «Pferdedecken Hongkong».
Suche nach den besten Mehrschichtmaterialien für
Kühl- und Abschwitzdecken
Auf der Suche nach der besten Kombination diverser
Materialschichten führte das Empa-Team um Markus Weder an
einem beheizbaren Zylinder, der einem menschlichen Torso
ähnelt und wie dieser transpirieren kann, erste
Schwitzmessungen durch. Die Idee dahinter: Mehrlagige Decken haben
einen besonders grossen Isolationseffekt, schützen vor
Sonneneinstrahlung und halten die Pferde vor dem Wettbewerb
kühl. Und nach dem Wettkampf trocknet der Schweiss dank dem
Hightech-Materialschichtsystem rasch wieder.
Um die Decken-Prototypen einem ersten Praxistest zu unterziehen,
wurden zwei Shetlandponys als Probanden «rekrutiert».
Springpferde wären zu gross gewesen für die
Empa-Klimakammer, die eine Aussentemperatur von über 30 Grad
Celsius und eine relative Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent
simulieren kann. Die gelehrigen Ponys wurden während eines
einwöchigen Trainings am Zürcher Tierspital auf ihre
Aufgabe auf dem Laufband vorbereitet. Mit Bewilligung des
Kantonalen Veterinäramts St. Gallen und unter ständiger
Aufsicht von Tierärzten, die die Tiere keinen Augenblick aus
den Augen liessen und deren physiologische Parameter wie Haut- und
Körpertemperatur, Schwitzmenge, Schrittlänge und EKG
permanent überwachten, nahmen die beiden Pferdchen ihre
«Arbeit» an der Empa auf.
Shetlandponys in der Empa-Klimakammer
Nach mehreren jeweils einstündigen Durchgängen –
über zwei Wochen verteilt – konnten Markus Weder und
seine Kollegen die Tauglichkeit der neuen Decken bestätigen:
Ohne Kühldecke stieg die Hauttemperatur beim Temperaturwechsel
von Stall zu Olympiagelände wegen der simulierten
Sonneneinstrahlung auf über 40 Grad Celsius an. Mit der
kühlenden Mehrlagendecke, die aus einem speziellen
Latentwärmespeichermaterial besteht und Wärmestrahlen
reflektieren kann, stieg sie lediglich auf 38 Grad. Die
Hauttemperatur der Pferde erhöht sich so beim Gang zum
Wettkampfplatz weniger stark als ohne Vorkühlung.
Nach der körperlichen Anstrengung legten die Pfleger den
Ponys ebenfalls neuartige Abschwitzdecken auf, die sechsmal mehr
Schweissflüssigkeit aufnehmen können als
handelsübliche Decken. Dadurch trocknen die Tiere bedeutend
schneller. Wurden die Ponys nun ohne Abschwitzdecke aus der warmen,
feuchten Klimakammer in Bedingungen überführt, die einem
klimatisierten Stall entsprachen, dann fielen ihre Hauttemperaturen
innert kürzester Zeit von 40 Grad Celsius bis auf 21.5 Grad
ab. Eine derart abrupte Abkühlung kann bei schweissnasser Haut
den gefürchteten «post exercise chill»
auslösen und Infektionskrankheiten begünstigen. Mit der
neu entwickelten Abschwitzdecke der Empa sank die Temperatur der
Ponys dagegen lediglich auf 35 bis 39 Grad. Dank einer reduzierten
Schwitzwasserverdunstung kühlten die Tiere also deutlich
weniger stark ab, was ihre Gesundheit deutlich geringer
strapaziert.
Diese viel versprechenden Ergebnisse haben den Schweizerischen
Verband für Pferdesport dazu bewogen, die Hightech-Decken
für alle Pferde, die für die Schweiz an den Start der
Olympischen Spielen 2008 gehen, massschneidern zu lassen. Und wer
weiss: Vielleicht gewinnt ja das eine oder andere dort eine
olympische Medaille – dank Unterstützung durch die
Empa-Technologie.
|