Grosse Resonanz beim Wissenschaftsapéro zum Thema «Biotreibstoffe»
Der Gewinner der Treibstoffdiskussion heisst «Mehr Energieeffizienz!»
Noch bis vor kurzem galten Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen als «Allheilmittel» für eine klimaneutrale Mobilität. Seit es aber vielerorts zu Nahrungsmittelengpässen kommt, da etwa Mais nicht mehr als Futter- oder Nahrungsmittel, sondern zur Ethanolgewinnung angebaut wird, hat sich das Image der so genannten «Biotreibstoffe» gehörig gewandelt. Aus gutem Grund, denn neben ihrer Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion sind längst nicht alle biogenen Treibstoffe ökologisch sinnvoll, wie eine Empa-Studie letztes Jahr zeigte. Wie brisant und kontrovers das Thema derzeit ist, zeigten die beiden Wissenschaftsapéros der Empa am vergangenen Montag in Dübendorf und eine Woche zuvor in St.Gallen, die beide (trotz Badewetter und Euro-Fieber) mit insgesamt mehr als 300 ZuschauerInnen überdurchschnittlich gut besucht waren. |
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Treibstoffe aus biogenem Abfall versus Agrotreibstoffe Bereits vor rund einem Jahr sorgte die im Auftrag der Schweizer Bundesämter für Energie, Umwelt und Landwirtschaft durchgeführte Ökobilanzstudie der Empa für Schlagzeilen. Rainer Zah, Experte für Biotreibstoffe an der Empa und einer der Autoren der Studie, ging am Wissenschaftsapéro besonders der Frage nach, welche Rolle biogene Treibstoffe bei der zukünftigen Energieversorgung spielen können. Die Studie ergab unter anderem, dass bei der Produktion der biogenen Treibstoffe vor allem der Anbau der Pflanzen negativ zu Buche schlägt, während Transport und Verarbeitung deutlich weniger ins Gewicht fallen. Daher erscheinen laut Zah in erster Linie die so genannten Agrotreibstoffe aus Mais, Kartoffeln oder Getreide als ökologisch bedenklich. Trotzdem sei es möglich, so der Empa-Experte, «Biotreibstoffe nachhaltig und ohne Landnutzungskonkurrenz zu produzieren.» Bei Treibstoffen aus biogenem Abfall etwa falle der aufwändige Anbau des Energierohstoffs weg. Und der Anbau spezieller Energiepflanzen wie Jatropha, einem ebenso genügsamen wie «energiereichen» tropischen Wolfsmilchgewächs, weise im Vergleich gute Ökobilanzen auf. «Ausserdem bilden sie keine Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion», so Zah, wenn sie auf Böden angepflanzt werden, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden können. |
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Biotreibstoffe der 2. Generation für mehr Energieeffizienz Aber auch bei der Produktion der Biokraftstoffe sind noch Verbesserungen zu erwarten. Schon Biotreibstoffe der 1. und 2. Generation unterscheiden sich gewaltig: Die erste Gruppe, die bereits im Handel erhältlich ist, umfasst beispielsweise Biodiesel aus Rapsöl oder Bioethanol aus Zuckerrohr. Dabei werden nur Teile der Ausgangspflanze zu Treibstoff verarbeitet. Bei Biotreibstoffen der 2. Generation wird dagegen mehr Pflanzenmasse in Treibstoff umgewandelt, weshalb auch Holz und Abfallstoffe als Ausgangsmaterialien verwendet werden können. So lässt sich etwa durch umweltfreundliche Vergasung von Holz Methan oder auch der flüssige BTL-(Biomass-to-Liquid)-Treibstoff gewinnen. Damit weisen die Biotreibstoffe der 2. Generation eine deutlich bessere Umweltbilanz auf als die Kraftstoffe der 1. Generation. Um eine CO2-arme, klimaneutrale Energieversorgung sicher zu stellen, dürfe indes nicht einzig auf biogene Treibstoffe gesetzt werden – egal, wie effizient sich diese dereinst herstellen liessen, mahnt Zah. «Energieeffizienz und andere erneuerbare Energieformen sind in Zukunft mindestens ebenso wichtig.» Daher sollte zum Beispiel die Nutzung der Sonnenenergie noch wesentlich stärker ausgebaut werden als bisher. |
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Biotreibstoffe als «Sündenbock» für gestiegene Lebensmittelpreise Dass Massnahmen zur Energieeffizienz wichtiger seien als erneuerbare Treibstoffe, betonte auch Lukas Gutzwiller vom Bundesamt für Energie BFE, der Sinn und Unsinn von Biotreibstoffen aus energiepolitischer Sicht analysierte. Für die gestiegenen Lebensmittelpreise sind laut Gutzwiller biogene Treibstoffe nur zu einem kleinen Teil verantwortlich. «Die wahren Ursachen sind vielmehr Ernteausfälle aufgrund von Trockenheit, veränderte Ernährungsbedürfnisse in etlichen Schwellenländern, der hohe Ölpreis, sinkende Vorräte sowie insbesondere Spekulationen auf den internationalen Agrarrohstoffmärkten.» |
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Der Referent schlug auf energiepolitischer Ebene vor, dass sowohl Biotreibstoffe als auch nachhaltige Biomasse auf der Basis einer Richtlinie für erneuerbare Energien zertifiziert werden sollten. Die Frage, ob die Schweiz generell Biotreibstoffe fördern sollte, wollte er jedoch weiterhin offen lassen. Stattdessen schloss auch er sich dem Credo der andern Referenten an: «Mit Biotreibstoffen kann der Klimawandel nicht aufgehalten werden; es braucht Energieeffizienz!» Der Beitrag der hiesigen Landwirtschaft zur Schweizer Treibstoffversorgung war schliesslich Thema von Heinz Hänni vom Schweizerischen Bauernverband. Auch er mahnte zu mehr «Realismus» in der aktuellen, teils hitzigen Diskussion. «Vor zwei Jahren waren Medien und Politik noch voll des Lobes auf Biotreibstoffe», erinnerte er. «Und seit kurzem wird die Bioenergie wegen der Lebensmittelknappheit verteufelt.» Aus Hännis Sicht ist das Potenzial der inländischen Produktion von biogenen Treibstoffen ohnehin beschränkt; selbst bei einer vollständigen Umnutzung aller Ackerflächen seien maximal zehn Prozent Treibstoffsubstitution möglich. Deutlich interessanter erscheint ihm hingegen die Idee, dass sich bereits mit sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der gesamte landwirtschaftliche Treibstoffverbrauch in der Schweiz decken lässt. An beiden Veranstaltungen verlief die Diskussion sehr angeregt, und vor allem in St.Gallen äusserten sich einige TeilnehmerInnen kritisch. So erschien es beispielsweise widersprüchlich, «warum man Biotreibstoffe subventioniert, wo man doch die Leute eher dazu anhalten soll, weniger Auto zu fahren.» In Dübendorf forderte ein Zuhörer dazu auf, lieber andere Antriebe zu fördern, anstatt sich auf die Biotreibstoffe zu verlassen. |
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