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Quelle: iStock-Foto
1998 entwickelten ForscherInnen der ETH Zürich ein
energiepolitisches Modell, das eine wachsende Erdbevölkerung
mit Energie versorgen und gleichzeitig die Umwelt schonen
könnte. Durch effiziente Technologien und Prozesse sollten die
Industrieländer ihren Energieverbrauch auf 2000 Watt pro
Bewohner – den weltweiten Mittelwert – reduzieren. Die
frei werdenden Ressourcen könnten dann helfen, Armut und
Hunger weltweit zu bekämpfen, und zwar ohne eine Minderung des
Lebensstandards für die westlichen Länder. Die Stadt
Basel dient als Pilotregion und die ZürcherInnen sprachen sich
2008 an der Urne dafür aus, die 2000-Watt-Gesellschaft
anzustreben. Gleichzeitig mit dem Stromverbrauch soll auch der
Ausstoss von Treibhausgasen reduziert werden, auf das
Äquivalent einer Tonne CO2 pro Person und Jahr.
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Der
aktuelle Energieverbrauch der SchweizerInnen übersteigt das
Nachhaltigkeitsziel indes noch deutlich, wie die alljährliche
Energiestatistik des Bundesamts für Umwelt (BAFU) zeigt.
Solche Statistiken nutzen jedoch einen
«top-down»-Ansatz: Sie teilen den Gesamtverbrauch durch
die Anzahl Einwohner. Dominic Notter und Hans-Jörg Althaus von
der Empa und Reto Meyer von der ETH Zürich haben deshalb eine
Studie durchgeführt, die den ökologischen Fussabdruck der
Schweiz «bottom-up», also vom Individuum ausgehend
betrachtet. Die Forscher hofften, Haushalte zu finden, die die
Kriterien der 2000-Watt- beziehungsweise der
1-Tonne-CO2-Gesellschaft bereits erfüllen. Aus
solchen Beispielen liessen sich dann wegweisende Strategien
für Nachhaltigkeit ableiten. Die Ergebnisse der Studie wurden
kürzlich in der Peer-Review-Fachzeitschrift
«Environmental Science & Technology»
publiziert. |
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In einer
Kombination aus Umfrage und Lebenszyklusanalysen gelang den
Forschern ein einmalig detaillierter Querschnitt durch die
verschiedenen Lebensstile der Schweizer Bevölkerung. 3369
Haushalte beantworteten Fragen zu Wohnen, Mobilität,
Ernährung und Konsumgütern. Mithilfe der an der Empa
geführten Datenbank «ecoinvent» bestimmten die
Forscher den individuellen Energieverbrauch sowie die daraus
resultierenden Treibhausgasemissionen und den Gesamteinfluss
einzelner Haushalte auf die Umwelt. |
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Kein einziger
der befragten Haushalte erfüllt die Bedingungen der
2000-Watt-Gesellschaft vollständig: Selbst bei
energiesparsamen SchweizerInnen ist der CO2-Ausstoss zu
hoch. Gekennzeichnet ist der tiefste individuelle Wert sowie der
Durschnitt der nachhaltigsten 10% der Befragten. |
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Westlicher Lebensstil und 2000-Watt-Gesellschaft – ein
Widerspruch?
Die Ergebnisse waren ernüchternd: Von 3369 befragten
Haushalten erfüllte kein einziger die Bedingungen der
2000-Watt-Gesellschaft. Auch die ökonomische Theorie, der
Umwelteinfluss nehme mit steigendem Einkommen zunächst zu,
dann aber wieder ab, bestätigte sich nicht. Zwar steigen
Energieverbrauch, Emissionen und Umweltbelastung linear mit dem
Einkommen, zu einer Abnahme (bei noch höherem Einkommen) kommt
es aber nicht. |
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Der
Energieverbrauch der befragten Haushalte reichte von
«vorbildlichen» 1400 Watt pro Person bis zu 20‘000
Watt – das Zehnfache des Soll-Wertes – mit einem
Durschnitt von 4200 Watt. Insgesamt liegen nur zwei Prozent der
Befragten unter der 2000-Watt-Schwelle – und selbst sie
emittieren weit mehr als eine Tonne CO2. Wichtig ist
dagegen, dass derart sparsame Haushalte in allen
Einkommenskategorien anzutreffen sind. Verbrauchen Haushalte mit
einem überdurchschnittlichen Einkommen bloss 2 kW an Energie,
ist das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft erreichbar: Ein geringer
Energieverbrauch bei hohem Lebensstandard ist möglich. |
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Rund ein
Viertel der Energie wird als Elektrizität verbraucht –
eine massive Reduktion des Gesamtverbrauchs lässt sich also
nicht allein mit sparsameren Geräten erreichen. Denn der
Grossteil der Energie fliesst in Heizung und in Mobilität. Die
sparsamsten Haushalte schnitten in ebendiesen Kategorien besonders
gut ab. So war die beheizte Fläche pro Person niedrig und der
Heizbedarf verhältnismässig gering. Bei der
Mobilität waren solche Haushalte ebenfalls sehr
zurückhaltend: Sie schränkten sich beim Autofahren und
Fliegen ein. |
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Obwohl die
mittlere Umweltbelastung der Befragten verhältnismässig
niedrig ist, übersteigt sie die Richtwerte der
2000-Watt-Gesellschaft noch um ein Vielfaches. Der höchste
erfasste Energieverbrauch ist gar zehnmal so hoch, wie der
empfohlene. |
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Im Wohn-
und Mobilitätsverhalten sehen die Forscher dann auch am
meisten Verbesserungspotenzial. Gerade in
Niedrigenergiehäusern sei die beheizte Fläche pro Person
zu gross. Mobilität, vor allem mit Auto und Flugzeug, sorgt
für beinahe die Hälfte der Treibhausgasemissionen und
eine starke Umweltbelastung: Die Energieträger in diesem
Bereich sind überwiegend fossil. |
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Verzicht ist unumgänglich
Die Umwandlung unserer Gesellschaft in eine nachhaltige
2000-Watt-Gesellschaft halten die Forscher für möglich
– allerdings nur noch mit «grösstmöglicher
Anstrengung». Die Treibhausgasemissionen zu senken sei
dagegen noch weitaus schwieriger. Die Schweiz müsste
dafür 80 Prozent der gesamten Energie aus kohlenstoffarmen
Quellen beziehen. Mit der Abschaltung der Atomkraftwerke bedeutet
das erneuerbare Energien – und zwar nicht nur für den
Strom, sondern auch für Heizung und Mobilität. Dafür
brauche es markanten technischen Fortschritt – und einen
Wandel im Lebensstil, so die Studie. |
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Das ambitiöse Nachhaltigkeitsziel sei nur erreichbar, wenn
Individuum und Staat gemeinsam nach einer Nachhaltigkeitsstrategie
streben. Dies verlangt etwa nach intelligenter Stadtplanung, die
den Reisebedarf reduziert und nach politischen Massnahmen, die
umweltfreundliches Verhalten fördern. Ein nachhaltiger
Lebensstil zeichnet sich durch Genügsamkeit aus: Zwar
können wir unsere Lebensqualität beibehalten, doch auf
Extravaganz muss verzichtet werden. Durch einen kleineren beheizten
Wohnraum, beschränkte Mobilität und Vermeidung von
übermässigem Konsum von Gütern und Dienstleistungen
könne laut Notter jeder seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit
leisten.
Text: Anna Ettlin
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