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Es kommt
nicht oft vor, dass ein Anlass an der Empa mit Klängen aus der
Romantik beginnt. Markus Würsch, Professor für Trompete
an der Hochschule der Künste Bern (HKB), und seine Studenten
liessen Ergebnisse eines dreijährigen KTI-Projekts erklingen:
Trompeten, gebaut nach dem Vorbild historischer Instrumente aus der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hergestellt wurden die
Instrumente vom Industriepartner, der Basler Firma
Blechblas-Instrumentenbau Egger. |
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ReferentInnen
desWissenschaftsapéros: Adrian von Steiger, Rainer Egger,
Markus Würsch und Marianne Senn (v.l.n.r.) |
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Um mehr
als 100 Jahre alte Blechblasinstrumente korrekt nachzubauen, muss
man die Verfahren und Techniken der alten Meister kennen – ein
Anliegen der Kunsthistoriker. Laut Adrian von Steiger,
Projektleiter und Musikwissenschaftler an der HKB, gewinnt man
solches Wissen aus den wenigen erhaltenen Werkstätten, aus
Bildern und Konkursprotokollen. Doch solche Quellenforschung
genügte den Initiatoren des Projekts nicht; denn das gleiche
Verfahren kann unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen, je
nachdem welche Materialien verwendet werden. So kam es zur
Zusammenarbeit mit der Empa. |
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Moderne Analyseverfahren im Dienst der
Geschichte
Koordiniert von Empa-Metallurgin Marianne Senn analysierten die
Forscherinnen und Forscher der Empa, des Paul Scherrer Instituts
(PSI) und des Instituts für Werkstofftechnologie (IWT)
über 40 französische Blechblasinstrumente aus der
Romantik mithilfe der energiedispersiven
Röntgenfluoreszenzanalyse (ED-XRF). Mit diesem Verfahren
lassen sich Elemente von Magnesium bis Uran erfassen und
quantifizieren. Da die zerstörungsfreie Analyse mobil
durchgeführt werden kann, eignet sie sich hervorragend
für diese Aufgabe: Historische Instrumente werden meist in
Sammlungen und Museen aufbewahrt und nicht gerne aus der Hand
gegeben – auch nicht in die von Forscherinnen und
Forschern. |
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«Wie
damals»: eine Demi-Lune-Trompete, deren Vorbild aus dem
frühen 19. Jahrhundert stammt. |
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Die
Analysen ergaben, dass die alten Legierungen Blei enthielten –
ein Element, das in modernen Blechblas-instrumenten nicht mehr zu
finden ist. Der Zinkgehalt war dagegen tiefer als heute. Damit war
die Arbeit des Analyseteams indes noch nicht getan. Um das Wissen
über die historischen Herstellungsverfahren zu vertiefen,
wurden zwei schlecht erhaltene Hörner für
metallographische Untersuchungen geopfert. |
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Doch wie
kann ein mikroskopischer Blick auf Metallproben etwas über die
Verfahren der alten Meister offenbaren? «Jede Bearbeitung
hinterlässt Spuren im Metall», sagt Marianne Senn. Die
Archäometallurgin spezialisiert sich darauf, Zusammensetzung
und Verarbeitung alter Metalle zu entschlüsseln. Grösse
und Form der Körner im Metall, ihre Anordnung sowie andere
Strukturen wie Schwefeleinschlüsse oder Linien geben ihr
Aufschluss darüber, was im Metall geschah. Mithilfe von
metallographischen Untersuchungen, Härtemessungen und
Rückstreuelektronenbeugung (EBSD) verglichen Marianne Senn und
ihr Team historische Proben mit Nachbauten der Firma Egger. So
konnten sie etwa feststellen, bei welcher Temperatur die Werkstoffe
geglüht wurden und wie ihre Verformung erfolgte. |
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Ein breiteres Klangspektrum
Der Fokus des Projekts galt der Umsetzbarkeit der Resultate. So war
es nach den analytischen Untersuchungen an der Zeit, die
Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Ein asiatischer
Blechhersteller lieferte das Ausgangsmaterial in der
«historischen» Zusammensetzung. Nach etlichen
metallographischen, chemischen und mechanischen Kontrollen wurde es
für geeignet befunden, und die Werkstatt Egger konnte mit dem
Nachbau der Instrumente beginnen. |
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Markus
Würsch und seine Studenten spielen die im Rahmen des Projekts
nachgebauten Trompeten. |
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Kein
einfaches Unterfangen – bleihaltiges Messing reisst schneller
und verhält sich beim Löten anders als moderne
Legierungen. Doch der Aufwand habe sich gelohnt, so Rainer Egger:
«Der Unterschied in Spiel-charakteristik und Klangabstrahlung
ist grösser als erwartet.» Aufgrund der
Materialeigenschaften lasse sich auf solchen Nachbauten ein wenig
lauter, aber dafür obertonreicher Klang erzielen, der sich
besonders zum Aufführen von Musik aus der Romantik eignet,
für die moderne Trompeten sich häufig als zu
«harsch» erweisen. «Dadurch wird der Klang in
Konzerten farbreicher», so Egger. Das habe sich schon beim
Symphonieorchester Biel gezeigt, das die Nachbauten bereits
gespielt hat. An Interesse seitens der Musikerinnen und Musiker
mangelt es jedenfalls nicht. Gezielt eingesetzt eigne sich das
historische Material aufgrund der Klangeigenschaften sogar für
moderne Instrumente. |
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Potenzial noch nicht ausgeschöpft
Nachdem die Klangdifferenz sowohl von Musikern als auch in
akustischen Voruntersuchungen bestätigt wurde, wollen die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Firma Egger ein
Folgeprojekt lancieren. Die Klangdifferenz soll nun eingehend
akustisch untersucht werden, um Zusammenhänge zwischen
Material und Spielcharakteristik offenzulegen. «Es geht hier
nicht um Authentizität», meint Projektleiter von
Steiger, «sondern um ein Verständnis der Musik und der
historischen Spielweise.» Auch Egger sieht im Projekt grosse
Chancen: «In unserer Branche sind keine grossen Budgets
für Forschung und Entwicklung vorhanden. Solche
Forschungsprojekte sind für uns wertvolle Gelegenheiten,
vertieftes Wissen über die Beziehung von Original und Kopie zu
erhalten.»
Text: Anna Ettlin
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